Omar Rigoni feiert die Freiheit der Farben
Von Klaus Sebastian
Ein pulsierendes Farbspektrum füllt die Leinwände des Schweizer Künstlers Omar Rigoni aus. Farben atmen und vibrieren, ruppige Flächen drängen sich aneinander, Rot sucht seinen Platz neben Blau, gelbe Energiefelder fahren ihre Ellbogen aus und behaupten sich im Kampf gegen den grünen Nachbarn. Rigoni malt Bilder, die ohne Grenzen und Regeln funktionieren. Er nimmt sich die Freiheit, seine Farben wie Blätter im Wind tanzen zu lassen.
Im Gemälde „Tanz der Blätter“ bestimmen und gestalten nämlich allein die in der Luft schwebenden Farbfelder den Bildraum. Eine andere Malerei in Schwarz und Blau hat den Künstler an „Fließende Gedanken“ erinnert. Nicht nur die Farben – auch die Gedanken sind frei. Und deshalb ist alles in Bewegung, sehnt sich nach Grenzenlosigkeit, tanzt auf dem Vulkan. Ähnlich wie brodelnde Lava strahlen diese Gemälde Hitze und Farbenergie ab und leuchten dabei vor lauter Lebensfreude. Gleichzeitig spürt der Betrachter die Unruhe unter der bunten, brodelnden Oberfläche. Sind wir Augenzeugen einer Explosion – oder beobachten wir hier die Entstehungsgeschichte einer Farbkomposition, die sich erst noch herausbilden muss?
Es sind offene und bedeutungsoffene Bilder, die dem Auge wenig Halt bieten und den Blick des Zuschauers auf Trab halten. Erst bei intensiver Betrachtung wird im mosaikhaften Farbgewitter eine verborgene Struktur sichtbar. Die nicht fest umrissenen Farben treten nämlich – obwohl sie mit ungestümen Pinselschlägen auf der Leinwand fixiert wurden – keineswegs willkürlich in Erscheinung. Im unruhigen Gefüge entsteht am Ende doch ein Hauch von Harmonie. Wer keine Angst vor Blau, Rot oder Gelb hat, vermag die heimliche Choreographie der Farben zu erkennen.
Wie auf den Leinwänden des abstrakten Expressionisten Jackson Pollock verdichten sich Omar Rigonis scheinbar entfesselte Farben zu Strukturen voller Harmonie, Ästhetik und Ordnung. Der unruhige Geist und die zitternden Emotionen hinterlassen Spuren – und finden in Schönheit zur Ruhe.
„Meine Malerei ist das Resultat eines in Lichtgeschwindigkeit gelebten Lebens“, sagt Omar Rigoni über seine Kunst. Und er fügt an: „Die Zeit verfliegt, Grenzen werden verwischt und Gefühle finden einen Kanal um sich zu ordnen.“
Die gefühlte Ordnung, die der Künstler auf seinen noch leeren Leinwänden sucht und findet, fasziniert den Betrachter als Malerei, die auch nachdem die Farbe getrocknet ist, immer noch im Prozess des Entstehens begriffen ist. Doch Omar Rigoni weiß natürlich um die Begrenztheit unserer Existenz: Auf dem Gemälde „Die Endstation“ verdirbt uns ein über das bunte Treiben geritzter Totenschädel die ausgelassene Stimmung.